Geschichte des Pétanque

Pétanque gehört zu einer Gruppe von Spielen, von denen einige französische Boule-Spiele (neben Pétanque insbesondere noch Jeu Provençal und Boule Lyonnaise), das italienische Boccia und das britische Bowls heute am bekanntesten und verbreitetsten sind. Im 19. Jahrhundert waren Spiele dieser Art in Italien, Großbritannien und Frankreich als Volkssportarten mit regional unterschiedlicher Beliebtheit und mit lokal variierenden Regeln anzutreffen. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts begannen sie dann, größere Bedeutung zu gewinnen. Das äußerte sich im Austragen von Wettbewerben, in der Gründung von Clubs und Verbänden sowie insbesondere in der Vereinbarung überregional verbindlicher Regeln.

Hierzu einige Daten: 

Man spielte zu Beginn wie schon im Mittelalter mit Holzkugeln. Diese waren, um eine höhere Widerstandsfähigkeit zu erhalten sowie um rund zu laufen, mit Nägeln beschlagen. Ab 1923 wurden die Kugeln aus einer Bronze-Aluminium-Legierung hergestellt, heute sind sie hauptsächlich aus Stahl.

1849 wurden in Schottland für Bowls Regeln aufgestellt, die noch heute weitgehend gültig sind. 1890 gründeten schottische Auswanderer in Australien einen Verband. 1892 wurde in Schottland selbst, 1893 in England ein Verband ins Leben gerufen. In Frankreich wurden etwa 1865 Regeln für Boule Parisienne (Boule de berges) entwickelt. Die ersten Regeln für Boule Lyonnaise vereinbarte man 1894 bei einem Turnier in Lyon, 1906 folgte die Gründung eines Verbandes für dieses Spiel. Aus Boule Lyonnaise entstand, mit einfacheren Regeln und kleineren Kugeln, um 1907 das Jeu Provençal (provenzalisches Spiel). Durch weitere Vereinfachung der Regeln dieses Spiels entwickelte sich 1910 das Jeu de Pétanque.In Italien wurde 1897/98 in Rivoli und Turin der erste regionale Bocciaverband (Piemont) gegründet, dem erst 1926 ein nationaler, italienischer Verband folgte.

Die Entstehung von Pétanque

Pétanque, so wird überliefert, entstand in der kleinen Hafen - und Werftenstadt La Ciotat, die etwa 30 km östlich von Marseille liegt. Berichtet wird: Einige Spieler beschäftigten sich auf dem Bouleplatz der Stadt (an der heutigen Avenue de la Pétanque gelegen) mit dem bewegungsreichen Jeu provençal.

Jules Le Noir, der zu dem Kreis gehörte, aber wegen einer Gehbehinderung nicht mitmachen konnte - ob Rheuma oder ein Unfall die Ursache war, ist unsicher - saß auf einer Bank und schaute zu. Schließlich begann er sich den Unmut, nur zuschauen zu können, damit zu vertreiben, dass er seine Kugeln auf die sehr kurze Distanz von nur drei Metern warf. In einer Spielpause kam sein Freund Ernest Piotet hinzu und leistete ihm bei dem neuen Zeitvertreib Gesellschaft. Andere schlossen sich an. Mit der Zeit einigte man sich darauf, aus dem Abwurfkreis, stehend, auf sechs Meter Distanz zu spielen. Gleichzeitig wurden weitere Regeln entwickelt, die vom "provenzialischen" Spiel abwichen.

Das geschah im Juni 1910.

An das Ereignis erinnert heute eine Tafel an der Mauer des Pétanque-Platzes von La Ciotat.

Das Spiel gewann schnell Freunde in Marseille und in der ganzen Provence.

Piotet war sein eifrigster Verfechter und bemühte sich um seine nationale Anerkennung, die er in der Bildung einer Pétanque-Sektion im französischen Boule-Verband gesehen hätte, der damals von den Spielern des Boule Lyonnaise beherrscht wurde. Nach der letzten Ablehnung seines Antrags überredet er 1943 die Spieler des "provenzialischen" Spiels, gemeinsam mit Pétanque einen neuen Verband zu gründen. Aus politischen Gründen konnte dieser Beschluss erst nach Kriegsende 1945 verwirklicht werden.

In den letzten zwanzig Jahren dürften die Promotionsanstrengungen der Kugelhersteller zusammen mit der seit 1969 sehr aktiven Führung des französischen und des internationalen Verbandes zur Ausbreitung des Spiels wesentlich beigetragen haben. Der französische Verband gibt heute an etwa 500 000 Spieler Lizenzen aus, die zur Teilnahme an Wettbewerben berechtigen. Schätzungen besagen, dass fünf bis acht Millionen Franzosen Pétanque spielen. Die Popularität des Pétanque-Spiels lässt sich zu einem guten Teil aus der relativ leichten Erlernbarkeit der Bewegungsabläufe erklären. Das kann durch einen Vergleich mit dem "provenzialischen" Spiel verdeutlicht werden. 

Zunächst die Gemeinsamkeiten: Bei beiden sind Spielkugeln und Ziel von gleicher Größe und gleichem Material, es sind die gleichen Mannschaftsformationen möglich und zugelassen, man spielt aus einem Abwurfkreis. Beide kennen die Vorgehensweisen des Legens und Schießens. Legen (frz. pointer) bedeutet, eine Kugel so nah wie möglich an das Ziel heranwerfen, Schießen (frz. tireur) nennt man das Wegstoßen einer gut platzierten Kugel durch einen gezielten Wurf. Die zum Sieg benötigte Punktzahl und die Zählweise entsprechen sich bei beiden Spielen ebenfalls. 

Die Unterschiede liegen in der Spieldistanz und in den Bewegungsabläufen, die für das Legen und Schießen vorgeschrieben sind: Während bei Pétanque das Ziel zu Beginn der Aufnahme zwischen sechs und zehn Metern vom Kreis entfernt zu liegen hat, sind beim "provenzialischen" Spiel fünfzehn bis einundzwanzig Meter vorgeschrieben, weshalb es auch als langes Spiel (frz. la longue) bezeichnet wird.

Während bei Pétanque der Spieler im Kreis steht oder hockt, hat er beim "provenzialischen" Spiel komplizierte Bewegungen auszuführen:

Beim Legen muss er einen Schritt aus dem Kreis heraustreten - meist seitlich, um eine optimale Wurfbahn zu finden - und kann das zweite Bein auf dem Boden im Kreis belassen. Hebt er es aber ab, so darf er es erst wieder niedersetzen, wenn die Kugel gespielt wird. Typischerweise steht der Leger daher auf einem Bein.

Der Schießer hingegen muss drei Schritte aus dem Kreis herauslaufen - in Richtung der zu schießenden Kugel - und beim dritten Schritt seine Kugel spielen. Der Wurf wiederum ist nur gültig, wenn die Kugel in mindestens einem Meter Distanz von dem angekündigten Zielobjekt aufschlägt.

Liegen beim "provenzialischen" Spiel die Akzente stärker auf Kraft, Beweglichkeit und athletischer Körperbeherrschung, die den Erfolg insbesondere beim Schießen von ausdauerndem Training abhängig machen. So garantiert die ruhige Körperhaltung beim Pétanque höhere Erfolgschancen auch beim Schießen, selbst bei geringerer Übung. Legen und Schießen erhalten einen gleichwertigen Anteil am Spiel. Die insgesamt erhöhten Chancen, vorher überlegte Spielzüge auch verwirklichen zu können, lassen Fragen der Spieltaktik einen größeren Stellenwert gewinnen. 

Von der Provence aus verbreitete sich das Spiel bald in ganz Frankreich und gelangte dann auch in die Schweiz. Die Schweiz zählt sieben Kantonalverbände und denen rund 3500 lizenzierte Spieler das Boule – Spiel pflegen. Vor allem die „freien Boulesczenen“ entwickeln sich sehr erfreulich.

Die Geschichte des Pétanque zum Nachlesen im Buch

!